Samstag, 24. Januar 2009
 
Wahl 06: Podiumsdiskussion zur Trendumkehr in Richtung Nachhaltigkeit PDF Drucken E-Mail
Geschrieben von AGEZ   
Samstag, 16. September 2006
kreuz im kreisAnlässlich der Nationalratswahl 2006 haben das Forum Nachhaltiges Österreich gemeinsam mit der AGEZ und dem ÖKOBÜRO die Wahl werbenden Parteien aufgefordert, im Rahmen einer Podiumsdiskussion zu den derzeit vorherrschenden beunruhigenden Nicht- Nachhaltigen Entwicklungen Position zu beziehen.

Ulrike Baumgartner-Gabitzer, ÖVP, Petra Bayr und Jan Krainer, SPÖ, Eva Glawischnig und Ulrike Lunacek, die Grünen, Walter Baier, KPÖ und Hans-Peter Martin haben die Einladung angenommen und bei einer Diskussionsrunde am 12.September im ORF KulturCafe im RadioKulturhaus dargelegt, welche Aktionen und Maßnahmen sie im Falle einer Regierungsbeteiligung in der nächsten Legislaturperiode zur dringend notwendigen Trendumkehr in Richtung Nachhaltigkeit umsetzen werden.

Problembereiche: Zersiedelung, Boden- und Ressourcenverbrauch, gesundheitsschädliche Einflüsse, Nord-Süd-Kluft, Governance

Forum, AGEZ und ÖKOBÜRO haben im Vorfeld konkrete Maßnahmen und Forderungen erarbeitet und Vorlagen für die Aufnahme in das nächste Regierungsprogramm formuliert.

In der Diskussion legten die Parteisprecherinnen und Parteisprecher dar, ob und wie sie die Forderungen und Maßnahmen der Studien-ExpertInnen und NGOs in den Bereichen „Zersiedelung und Bodenverbrauch“, „Überhöhter Ressourcenverbrauch“, „Gesundheitsschädliche Einflüsse“, „Wachsende Kluft zwischen Nord und Süd“ und „Good Governance“ im Sinne einer nachhaltigen und zukunftsfähigen Regierungspolitik aufgreifen und umsetzen werden.

„Der Begriff der Nachhaltigen Entwicklung hat zwar in den letzten Jahren vielerorts in Programme und Reden Eingang gefunden, bei der tatsächlichen Umsetzung der Inhalte sind Politik und Gesellschaft aber kaum vorangekommen“, stellte Moderator Johannes Kaup vom ORF eingangs fest. Dass in den Bereichen, in denen die ExpertInnen des Forums und der NGOs besonders besorgniserregende Nicht-Nachhaltige Entwicklungen festgestellt haben, politischer Handlungsbedarf besteht, fand die Zustimmung aller anwesenden PolitikerInnen. Wie zu erwarten war, gab es jedoch in der Beurteilung der nachhaltigen Wirksamkeit der in den letzten Jahren auf Schiene gebrachten Initiativen und Gesetzesnovellen keine Einigkeit bei den ParteienvertreterInnen.

„Mehr Effizienz zugunsten von langfristiger Finanzierbarkeit“

Die Energiepolitik war offenbar jener Bereich mit den größten Wahrnehmungsunterschieden zwischen den Parteien, vor allem die Frage, wie dringend zukunftfähigere Energiegewinnungstechnologien notwendig sind.

Während Ulrike Baumgartner-Gabitzer als Vertreterin der regierenden ÖVP die Novelle des Ökostromgesetzes und die begonnenen Änderungen im Gesundheitsbereich als richtig verteidigte, sahen die Oppositionsparteien SPÖ und Grüne darin Rückschritte.

„Wir sehen es als Verpflichtung an, das Gesundheitssystem und auch die Energiegewinnung effizienter und damit langfristig finanzierbar zu machen, um die Versorgung der Gesellschaft weiter gewährleisten zu können. Es ist ein ganz wichtiger Teil der Nachhaltigen Entwicklung, den Zugang aller zur besten medizinischen Versorgung auch in einer alternden Gesellschaft zu erhalten“, so die ÖVP-Vertreterin. Baumgartner-Gabitzer betonte die Vorreiterrolle der ÖVP in Fragen der Nachhaltigkeit, die bereits mit dem Konzept der ökosozialen Marktwirtschaft verankert worden sei.

Steuerreform und Grundrecht auf Gesundheit

Ambitionierte Umsetzungspläne der Parteien kamen zu den Themen Energie- bzw. Steuerpolitik: Eva Glawischnig stellte den nach Ansicht der Grünen dringend nötigen Umbau des österreichischen Steuersystems zugunsten einer Entlastung des Faktors Arbeit und einer im Gegenzug stärkeren Besteuerung von Ressourcen und Energie in den Vordergrund. „Das Umschichtungsvolumen beläuft sich auf drei Milliarden Euro – Umschichtung, nicht Belastung“, betonte die Spitzenpolitikerin der Grünen und fuhr mit der Forderung der weitgehenden Umstellung auf erneuerbare Energieträger fort. Eine Grundsicherung und –pension in Höhe von 800 Euro statt komplizierter Durchrechnungszeiträume gehöre ebenfalls zu den Plänen der Grünen.

Weiters forderte Glawischnig die Aufnahme eines Grundrechts auf Gesundheit, damit BürgerInnen zum Beispiel die Einhaltung der Feinstaubgrenzwerte einklagen könnten.

Dieselfilterpflicht und Bundesraumordnungsgesetz

Einig waren sich die ParteienvertreterInnen darin, dass der Straßenverkehr in Österreich ein gravierendes Problem darstellt; bei den Maßnahmen führte die LKW-Maut die Beliebtheitsskala an. Jan Krainer betonte die nötige Verpflichtung zum Dieselkatalysator: „NOx ist seit Jahren der Luftschadstoff, der die größten Probleme bereitet; zwei Drittel aller neu gekauften Dieselfahrzeuge haben aber immer noch keinen Filter, was zeigt, dass das Bonus-System nicht greift.“ Krainer kündigte die Vorstellung des neuen SPÖ-Umweltprogramms am 15. September an und nahm vorweg, dass darin ein umfassendes Bundesraumordnungsrahmengesetz enthalten sei, welches das derzeit fehlende zentrale Durchgriffsrecht des Bundes schaffen solle, um der zunehmenden Zersiedelung entgegentreten zu können.

Entwicklungspolitik – wachsende Kluft zwischen Nord und Süd

Klare Ansagen kamen zu den Themen CSR (Corporate Social Responsibility) und Entwicklungspolitik von SPÖ und Grünen: So glauben Petra Bayr und Ulrike Lunacek nicht, dass freiwillige Selbstverpflichtungen von Unternehmen ohne gesetzlich geregelte unabhängige Kontrollen funktionieren. Beide Politikerinnen wollen bis 2015 die schon lange geforderten 0,7 Prozent des BIP für Entwicklungszusammenarbeit mit einem Stufenplan erreichen, und zwar ohne dass Entschuldungen eingerechnet würden. Sie schlagen ein Staatssekretariat für Entwicklungspolitik mit Durchgriffsrecht vor, um die derzeit auf mehrere Ministerien zersplitterten EZA-Agenden zu bündeln. Auch die ÖVP-Vertreterin Ulrike Baumgartner-Gabitzer will die 0,7% bis 2015 erreichen, verweist aber auf die im Finanzministerium liegende Budgetkompetenz. Positiv bewertete sie das Entwicklungszusammenarbeits-Gesetz 2003 und die Ausgliederung der ADA. Walter Baier tritt für eine „Deglobalisierung“ ein: Freihandel hat gezeigt, dass damit die Armut nicht bekämpft werden kann. Eine andere Welt sei möglich und notwendig, daher plädierte er für eine neue Ethik im internationalen Dialog. Hans Peter Martin meinte, es brauche Glaubwürdigkeit und Transparenz für die Verwendung der Entwicklungshilfe-Gelder.

Nachhaltigkeitsoffensive und Mut zur demokratischen Einmischung

Hans-Peter Martin meinte, dass deswegen so wenig in Richtung Nachhaltige Entwicklung vorangegangen wäre, weil sich das politische System und damit die Parteien selbst lähmen würden. „Es wird zuviel Parteiarbeit und zuwenig Sacharbeit gemacht; nötig wäre eine viel stärkere Einbindung der Bevölkerung durch eine Nachhaltigkeitsoffensive mit medialer Unterstützung, um mehr Verständnis für die drängenden Probleme und nötigen Schritte zu schaffen“, betonte Martin.
Walter Baier von der KPÖ drängte ebenfalls auf eine stärkere Einbeziehung der Bevölkerung: „Das derzeitige politische System tendiert zu Selbstreferenzialität; gute Politiker müssen aber Impulse geben, sich selbst zurücknehmen, Mut zur demokratischen Einmischung machen“. Er stellte wiederholt in Frage, dass eine Trendumkehr unter den dominanten neoliberalen Bedingungen mit der Vorherrschaft einseitiger ökonomischer Interessen möglich sei.

Kein Staatssekretariat für Nachhaltigkeit?

Relativ einstimmig war vorerst die Ablehnung der ParteienvertreterInnen eines Staatssekretariats für Nachhaltige Entwicklung: Baumgartner-Gabitzer betonte, die einzelnen Ressorts müssten jeweils mehr Augenmerk auf Nachhaltigkeit legen; Bayr forderte vorrangig einen abgestimmten Plan, um der Öffentlichkeit und Verwaltung die Themen der Nachhaltigen Entwicklung besser zu vermitteln; Lunacek plädierte dafür, Ausschüsse im Parlament bei sinnvollen Querschnittsmaterien gemeinsam tagen zu lassen. Eine humorvolle Note in die abschließende Runde brachte KPÖ-Vertreter Walter Baier mit folgender Aussage: „Sollte die KPÖ tatsächlich ins Parlament einziehen, werde ich mich bemühen, das zu einem nachhaltigen Projekt zu machen.“

„Bei einigen Parteien ist der umfassende Gedanke der Nachhaltigen Entwicklung schon besser angekommen als bei anderen, die hoffentlich noch Lernpotenzial haben“, fassen die OrganisatorInnen zusammen. „In einem Jahr werden wir die neue Regierung an die heute getroffenen Aussagen erinnern und sie daran messen, welche Taten den Worten gefolgt sein werden.“

Information: Forum Nachhaltiges Österreich, Christian Baumgartner 0664-38 12 143
Ökobüro, Gabriele Pekny 0699-11 93 13 23
AGEZ, Elfriede Schachner 0699-107 66 216
AGEZ: Plattform 32 entwicklungspolitischer NGOs, http://www.oneworld.at/agez/
Ökobüro: Koordinationsstelle 15 österreichischer Umweltorganisationen, www.oekobuero.at
Forum Nachhaltiges Österreich: von der Bundesregierung eingerichtetes, unabhängiges Expertenforum zur österreichischen Nachhaltigkeitsstrategie, www.nachhaltigkeit.at/forum

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